Referent: Prof. Dr. Peter Wagner
Der Vortrag beschäftigt sich zunächst mit Mark Twains Adventures of Huckleberry Finn (1885) und geht dabei auf die Problematik des Romans ein, der im 20. Jahrhundert in den Kanon der amerikanischen Literatur aufgenommen wurde. Die kontroverse Rezeption des Buches ist auch deshalb von Interesse, weil es in den USA heute wieder im Zentrum der Aufarbeitung des Rassismus steht. Im Vortrag werden Antworten gesucht auf Fragen wie: Ist der Roman ein Kinderbuch oder Erwachsenenlektüre? Warum wurde er anfangs und heute wieder von Kritikern abgelehnt und aus Bibliotheken und Lektürekanons in Schulen und Unis verbannt? Was stört die Kritiker besonders an einem Buch, das ursprünglich gegen den Rassismus seiner Zeit gerichtet war? Was macht es letzten Endes zum Klassiker?
Im 2. Teil des Vortrags geht es um eine literarische Reaktion auf Twains Klassiker: Percival Everetts James (2024) greift die zentralen Anliegen des Romans wieder auf, spiegelt sie jedoch im Bewusstsein des Sklaven Jim und zeigt in der Adaptation, wie ein Afroamerikaner damals (als Erzähler) und heute (als Autor) auf offenen und latenten Rassismus reagiert. Dabei zeigt sich, wie wichtig Sprache (z.B. Ebonics) und nichtverbale Repräsentation (z.B. die Minstrel Show) sind. Als postmoderner/experimenteller Autor bietet Everett zugleich eine „Fortschreibung“ von Twains Roman, aber auch eine Kritik seiner Mängel vom Blickpunkt des Afroamerikaners.